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Von Eisbären lernen: ohne Standheizung herumsitzen

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Der Mensch glaubt, verhältnismäßig clever im Umgang mit der Natur zu sein: wenn – wie etwa in Spanien – die direkte Sonneneinstrahlung zu viel Hitze verursachen kann, dann malt er seine Häuser und Autos einfach weiß an. Bekanntermaßen reflektiert weiß Licht am besten und erhitzt sich so am wenigsten. Dieses Prinzip kennt natürlich auch die Natur, die zum Beispiel diejenigen Reptilien eher dunkel einfärbt, die als Kaltblüter die Wärme von außen via Sonnenlicht zuführen müssen.

Aber warum hat die Natur den Eisbären dann auch weiß eingefärbt und nicht schwarz? Gerade der Eisbär, ein riesiges, bis zu 800 Kilogramm schweres Tier mit dem gefühlten Energiebedarf einer Kleinstadt (grober Schätzwert), könnte doch jedes Sonnenphoton gebrauchen, das sich am Fell in Wärme wandelt. Auf der anderen Seite ist der Lebensraum des Eisbären der Nordpol, wo er darauf angewiesen ist, seinen großen Hunger auch durch die Robbenjagd zu stillen. Der Nordpol jedoch ist ein relativ weißes Unterfangen, wo ein dunkelschwarz gefärbter und so sonnenenergieoptimierter Eisbär sich zum heimlichen Anschleichen an eine Robbe so gut eignen würde wie eine Neonreklame. Ein schwarzer Eisbär würde wohl verhungern. Sonnengewärmt zwar, aber robbenlos.

Es zeigt sich, dass die Natur im Umgang mit sich selbst doch noch ein wenig cleverer ist als der Mensch. Denn die Eisbärenhaare scheinen uns nur weißfarbig zu sein, in Wirklichkeit sind sie: durchsichtig. Nur durch die Lichtstreuung wirken die Haare weiß. Ihre wichtigste Eigenschaft ist aber gar nicht die Farbe, sondern ihr Aufbau, denn Eisbärenhaare sind anders als das Ottonormalfell des Durchschnittsbürgers hohl. Dieser Hohlraum im Haar wirkt wie eine Lichtleitung direkt zur Eisbärenhaut – und Überraschung, die ist dunkel. Es sieht bloß niemand, also auch keine Robbe.

Dieser Effekt des Eisbärhaars, der nebenbei hundert Mal eleganter wirkt als bloß sein Auto, sein Boot oder sein
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Haus weiß anzumalen, folgt dem Prinzip der so genannten Totalreflexion und lässt sich wissenschaftlich nutzen. Bei modernen Funktionstextilien, z.B. Outdoorjacken hat man das Eisbärenfellprinzip nachgebaut. Man stellt hohle Fasern her, verarbeitet sie zu Fliesen und näht sie dann in Jacken ein. Dadurch isolieren sie bei äußerst geringem Gewicht optimal und halten warm. Und es gibt auch schon textile Sonnenlicht Kollektoren, denen das Eisbärhaar als Vorbild dient. Dabei werden optisch aktive Fasern hergestellt, die das Licht ins Innere leiten; in der Fachsprache nennt man das auch “wave guiding.” Es basiert auf einem bereits seit längerem bekannten Konzept: Ein intelligentes Material, das genau wie das Eisbärenfell ein Maximum an unsichtbarem Licht in sichtbares Licht umwandelt und über den Hohlraum in der Faser gezielt weitertransportiert. So entsteht ein sehr, sehr effektives System zum Einsammeln von Wärmeenergie. Das Lichtwandler-Prinzip vom Fell bringt dem Bären übrigens noch mehr – er findet dadurch eisfreie Passagen im Meer. Da er die Intensität des gestreuten Lichts messen kann, spürt er die Unterschiede zwischen einer eisfreien Zone und einer stärker reflektierenden Eisscholle. Eine gewisse Größe ist schon angebracht, damit das natürliche Navi-System funktioniert.

Und es gibt noch mehr, das der Eisbär uns voraus hat. Auch von seinen Augen könnten wir uns etwas abgucken, das viel besser ist als eine Sonnenbrille. (Das ist einen eigenen Artikel wert!) Seine Augen-Membran schützt ihn nämlich ganz automatisch vor der UV-Strahlung. Bis wir so clever sind, all das nachzuahmen, was der Eisbär schon kann, werden wir wohl weiter Sonnenbrille tragen und Häuser weißeln.


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